Ministerin Staudte will langfristig regionalbezogene Flächenbindung für die Nutztierhaltung in Niedersachsen

Hat die Nutztierhaltung in Niedersachsen, insbesondere in der Tierveredelungsregion Oldenburger Münsterland, noch eine Zukunft und wie soll diese gestaltet sein? Das waren die drängenden Fragen, die sich an Ministerin Miriam Staudte im Rahmen der Mitgliederversammlung des Agrar- und Ernährungsforums (kurz: AEF) richteten. Ministerin Staudte kam auf Einladung des AEF am 12.04.2023 in das Unternehmen Vogelsang nach Essen/Oldb.

Branche wartet auf langfristige Rahmenbedingungen – Politik muss liefern.

In seiner Eintrittsrede bekannte sich Sven Guericke, der Vorsitzende des AEF, zur notwenigen Transformation der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Die landwirtschaftlichen Betriebe und die Unternehmen der Branche stünden dafür bereit. Deutlich mahnte er jedoch die fehlende Planungssicherheit an. Die Politik versäume es, langfristige und nachhaltige Rahmenbedingungen für die Zukunft der Branche zu schaffen. Es werde lediglich Stückwerk geliefert, so Guericke. Dabei lägen mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft tragfähige und im gesamtgesellschaftlichen Konsens erarbeitete Vorschläge vor. Weder die Vorgängerregierung noch die jetzige Ampelkoalition schaffe es, ein tragfähiges Konzept für den Umbau der Tierhaltung auf den Weg zu bringen. Auch mit dem Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes, mit dem Bundesprogramm Tierhaltung sowie mit dem vorliegenden Novellierungsentwurf des Baurechts gelänge es nicht, den Tierhaltern eine dauerhafte Perspektive zu geben.

Dabei seien die Auswirkungen der fehlenden Planungssicherheit auf die gesamte Branche mit ihren vor- und nachgelagerten Bereichen gravierend. Zahlreiche Tierhalter hätten ihre Höfe aufgeben müssen, darunter vornehmlich kleine und familiengeführte Betriebe, die stets das Rückgrat der ländlichen Regionen abgebildet haben.

Verschärfend hinzu käme nun der Entwurf für das Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Haltung von Mastputen. Sollte dieser in der jetzigen Form umgesetzt werden, führe das zu einem massiven Strukturbruch im Oldenburger Münsterland und bedeute eine enorme Schwächung der Wertschöpfungsketten in diesem Raum. 

Niedersachsen Agrarland Nr. 1 in Deutschland

„Deutschland ist auf eine starke Agrar- und Ernährungswirtschaft angewiesen, das hat der Ukraine-Krieg nochmals deutlich gemacht. Die notwendige Transformation darf nicht durch eine im Wesentlichen verbotsorientierte Politik hin zu einer im europäischen Kontext nicht mehr wettbewerbsfähigen Landwirtschaft vorangetrieben werden. Dabei müsse doch gerade Niedersachsen als Agrarland Nr. 1 in Deutschland ein elementares Interesse an einer nationalen, Ministerien-übergreifenden Agrar- und Ernährungsstrategie haben.“, konstatierte Guericke. 

 Ministerin Staudte betonte die Dynamik und den grundsätzlichen Transformationswillen des Oldenburger Münsterlands positiv. Dabei lobte sie die Arbeit des AEF, das sich seit langem ernsthaft und pro-aktiv mit der Thematik auseinandersetze, sowie den Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen unter Leitung von Dr.in Barbara Grabkowsky. Dieser Verbund verfolge erfolgreich strategische und praxisnahe Projekte für die Zukunft der Tierhaltung in Niedersachsen. 

Sie machte in ihrer Rede aber auch deutlich, dass die Tierhaltung nicht immer nur auf Effizienz und Hochleistung ausgerichtet sein müsse, sondern ihren Fokus stärker auf Resilienz richten solle. Das verdeutliche auch die enorme Volatilität auf dem Weltmarkt. Sie plädierte dafür, dass sich Landwirtschaft insgesamt unabhängiger aufstellen müsse. Auf Landesebene haben die Umwelt-, Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerien eine Taskforce zu Erneuerbaren Energie eingerichtet, die auch für die Landwirtschaft positive Effekte haben werde, da neue Einkommensquellen im ländlichen Raum in Niedersachsen erschlossen werden und Geld in den Regionen bleibe, statt abzufließen. Autarke Energieversorgungen seien für Betriebe der Land- und Ernährungswirtschaft künftig ein Mittel zur Kostenstabilität.  

Der Umbau der Tierhaltung sei Thema der Sonder-Agrarministerkonferenz im Mai dieses Jahres. Es bedürfe neben eines dauerhaften Instruments zur Finanzierung des Umbaus auch einer überfälligen Abstimmung zwischen Bau- und Immissionsrecht und den gewünschten Tierwohlmaßnahmen. Landkreise benötigten dringend Handlungshinweise, um Um- und Neubauten für landwirtschaftliche Betriebe zu ermöglichen.

Insgesamt gehe sie davon aus, dass es in den nächsten Jahren zu einer Reduktion der Tierbestände, insbesondere im Oldenburger Münsterland, kommen werde. „Ich bekenne mich zur Nutztierhaltung in Niedersachsen, sie muss jedoch langfristig regionalbezogen an die Fläche gebunden sein. Das hat auch nochmals der kürzlich veröffentlichte Nährstoffbericht gezeigt“, so die Aussage der Ministerin. 

Zukunftsprogramm Diversifizierung als Chance für schweinehaltende Betriebe

In diesem Zusammenhang warb Ministerin Staudte für das Zukunftsprogramm Diversifizierung. Mit dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm und der Richtlinie zur Förderung von Investitionen in regionale Verarbeitungs- und Vermarktungseinrichtungen gibt es bereits jetzt zwei Instrumente. Diese werden gerade so angepasst, dass abstockende Schweine haltende Betriebe bevorzugten Zugang erhalten können. Ein weiteres Programm ist in Arbeit. Das Land Niedersachsen will das jetzige Förderprogramm des Bundes zum Umbau der Tierhaltung in Richtung zu mehr Tierwohl konstruktiv mit dem Diversifizierungsprogramm ergänzen, so die Ministerin. Es gehe darum, zu verhindern, dass Betriebe nicht nur aus der Tierhaltung aussteigen, sondern ganz aufgeben. Bei der Förderung des Bundes für den Umbau für mehr Tierwohl habe sie sich für eine Ausweitung der förderfähigen Betriebe eingesetzt, was auch zu einer Erweiterung der antragsberechtigten Betriebe geführt habe.

Gegenseitige Dialogbereitschaft bekräftigt

Bei der abschließenden Diskussion in sachlicher Atmosphäre bekräftigten sowohl Ministerin Staudte als auch der AEF-Vorsitzende, Sven Guericke, die notwendige und gegenseitige Dialogbereitschaft. Die über 100 Mitgliedsunternehmen des AEF, so Guericke, seien bereit, dem Ministerium mit ihrem fachlichen Know-how flankierend zur Seite zu stehen. Vertreter der Putenwirtschaft haben in diesem Zusammenhang Ministerin Staudte zu einem Betriebsbesuch eingeladen, was die Ministerin auch spontan angenommen habe.

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