Landwirte fordern faire Bedingungen für die Vermarktung ihrer Produkte

Das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland e.V. unter Vorsitz von Min.a.D. Uwe Bartels hat am 17.09.2020 hochkarätige Vertreter der Wertschöpfungskette Agrar- und Ernährungswirtschaft in das Rathaus Vechta eingeladen, um sich mit den Strategien des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) zu beschäftigen. Es wurden insbesondere die Fragestellungen „Wie positionieren sich die Handelspartner“ und „Welche Geschäftsmodelle werden innerhalb der Branche neu gedacht?“ beleuchtet. Dr. Johannes Simons, Agrarwissenschaftler und Marktforscher von der Universität Bonn setzte mit der Vorstellung seiner Studie „„Die Bedeutung der Strategien des LEH für die Landwirtschaft in Deutschland“ vor etwa 70 Personen den entsprechenden Impuls. Die Veranstaltung wurde von Uwe Haring moderiert.

Bartels hob in seinem Eingangsstatement die Intention dieses Treffens hervor. Das AEF möchte bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen, mit der sich die gesamte Branche konfrontiert sieht, pro-aktiv begleiten. Die Urproduktion müsse sich rechtzeitig auf die sich ändernden Strategien des LEH und der Verarbeiter einstellen und eigene Strategien entwickeln. Die Studie der Edmund-Rehwinkel-Stiftung gebe da wichtige Impulse. Wichtig sei bei diesem Transformationsprozess eine vertrauensvolle und wertschätzende Zusammenarbeit aller Akteure.

Dr. Simons stellte in seinem Vortrag fest, dass die Unternehmen des LEH untereinander in einem intensiven Wettbewerb stünden und dieses erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette habe. Dabei könnten Kostensenkungen und Kooperationen zu einer Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Wertschöpfungsketten beitragen. Er konstatierte, dass die Möglichkeiten für zusätzliche Gewinne aus regional und nachhaltig erzeugten Produkten längerfristig als gering einzustufen seien.

Albert Schulte to Brinke, Präsident des Niedersächsischen Landvolks, stellte in seinen Ausführungen heraus, dass die deutsche Landwirtschaft erheblich unter dem Import aus Drittländern zu leiden habe. Diese Produkte würden unter wesentlich schlechteren Kriterien produziert und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte erheblich schwächen. Vor diesem Hintergrund forderte er von dem LEH faire Chancen für die Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. Von der Bundesregierung erhoffte er sich eine bessere politische Zuverlässigkeit, um die Planungssicherheit bei den Landwirten zu gewährleisten. Klare Worte fand Schulte to Brinke, was den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest und den damit einhergehenden Preisverfall betrifft. Davon seien vornehmlich die Sauenhalter, die ohnehin schon vor enorm hohen ordnungsrechtlichen Herausforderungen stünden, betroffen. 
Der Vertreter aus der verarbeitenden Branche, Steen Sönnichsen, Geschäftsführendes Vorstandsmitglieder der Westfleisch SCE aus Münster, vertrat die Ansicht, dass es noch nie so schlecht um die Reputation der Lebensmittel und der gesamten Branche gestanden habe. International hingegen spiele die Lebensmittel-produktion in Deutschland gleichwohl in der Champions-League. „Wir als Akteure der Lebensmittelbranche müssen einheitlich und gemeinsam auftreten, um das Bild der Branche wieder ins rechte Licht zu rücken. Dabei müssen wir auch in den LEH ins Boot holen.“, so Sönnichsen.

 Dass der LEH auch gewissen Zwängen unterliege, machte Rudolf Behr von der BEHR Gemüsebau AG aus Seevetal deutlich. So müsse der LEH jeden Tag um den Konsumenten buhlen. Das sei ein großer Zwang, der täglich bewältigt werden müsse. Dabei sei der LEH lediglich als Vermittler zu sehen. Die emotionale Seite müsse vom Landwirt bedient werden.

Angesprochen wurde auch das von Bundesministerin Julia Klöckner geplante Preiswerbeverbot. Alle Teilnehmer des Podiums betrachteten dieses als wenig probates Mittel an, um die Bemühungen der Landwirte und der weiteren Stakeholder in der Wertschöpfungskette finanziell zu honorieren. 
Auch was den wachsenden Wunsch der Konsumenten nach regional produzierten Lebensmitteln anbelange, waren sich die Teilnehmer einig, dass Regionalität zwar an zunehmender Bedeutung gewinne, aber weiterhin als Nischenprodukt einzuschätzen sei. Ebenso spiele Unternehmensgröße keine Rolle bei der Produktion regionaler Ware. Das zeigten eindeutig die Entwicklungen im Discounterbereich. Hier vermische sich Regionalität mit Größe.
Wachsen und sich dabei erfolgreich auf dem Markt bewegen – das könne durch innovative Lösungsansätze gelingen. Behr blickte in Richtung Zukunft und schilderte seine Vision, dass durch logistische Entwicklungen künftig Frischware per Drohne direkt an das Fenster, an dem ein Außenkühlschrank befestigt sei, geliefert würde. Sönnichsen wünschte sich innovative Fortschritte in Richtung Verbesserung des Geschmackserlebnisses, Dr. Simons sieht Innovationspotential bei der weiteren Entwicklung von Fleischersatzprodukten und Schulte to Brinke bei dem technischen Fortschritt im Ackerbau und in der Pflanzenzucht.

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