Die derzeitige Lage in der Ukraine sowie die Auswirkungen auf die Agrarmärkte zeigen deutlich, wie fragil und vulnerabel die landwirtschaftlichen Lieferketten weltweit sind. Vor diesem Hintergrund begrüßt Sven Guericke, der Vorstandsvorsitzende des Agrar- und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland (kurz: AEF), den Beschluss der letzten EU-Agrarministerkonferenz, die Selbstbegrünung der Stilllegungsflächen ab 2023 zu lockern oder sogar komplett abzuschaffen. Kein Verständnis hat Guericke allerdings für das Zaudern einzelner deutscher Agrarminister und deren Festhalten an parteipolitischen Grundsatzüberzeugungen, den von der EU-Kommission ermöglichten Spielraum zur Nutzung ökologischer Vorrangflächen, nicht zu nutzen. „Deutschland muss seinen Gunststandort zum Anbau von weltweit benötigten Rohstoffen und Lebensmitteln vollends ausschöpfen und damit seiner globalen Verantwortung zur Ernährungssicherung nachkommen“, so Guericke. Auch wenn die Erträge diesen Flächen keine gewaltigen Erntemengen erbringen, so wären sie doch ein Beitrag Deutschlands für die globale Ernährungssicherung.
AEF will Transformation der Landwirtschaft nicht ausblenden
Damit wolle sich die Landwirtschaft keinesfalls aus ihrer ökologischen Verantwortung stehlen und die Notwendigkeit der Transformation ausblenden, so Guericke, denn diese wisse sehr wohl um ihre Verpflichtung, Ressourcen und Biodiversität nachhaltig zu schonen und zu stärken. Vielmehr gelte es, vor dem Hintergrund der Ernährungssicherung alle ökonomischen, ökologischen sowie sozialen Faktoren sorgsam miteinander abzuwägen und jedwedes innovatives und digitales Potenzial auszuschöpfen. Dazu zählt insbesondere auch der Einsatz von modernen biotechnologischen Verfahren, wie das Genome Editing mit der Genschere CRISPR/CAS.
AEF sieht die geplanten staatlichen Haltungsstufen kritisch
Des Weiteren befürwortet Guericke grundsätzlich den Beschluss der Bundesregierung, noch in diesem Jahr eine verpflichtende Haltungskennzeichnung auf den Weg zu bringen. Eine vornehmliche Anlehnung der Haltungsstufen an die Eierkennzeichnung betrachtet das AEF jedoch kritisch. Zum einen unterwandere die Bundesregierung damit mutwillig alle Tierwohlbemühungen, wenn sie die bestehenden und mittlerweile etablierten Tierwohl-programme ohne Außenklima in die unterste Kategorie „3“ einordnen wurde. „Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die trotz der wirtschaftlich desolaten Lage in den Umbau ihrer Ställe hin zur ITW-Haltungsstufe 2 investiert und auf langfristige Sicherung gesetzt haben.“, konstatiert Guericke. Zielführender sei es, auf die innerhalb der Borchert-Kommission erarbeiteten Tierwohlkriterien zurückzugreifen und am Markt etablierte Tierwohlprogramme einzubinden. Daneben fordert das AEF weiterhin auch die Einbeziehung von Fleisch des Außer-Haus-Verzehrs sowie eine EU-weit einheitlich verpflichtende Haltungskennzeichnung, um den innereuropäischen Wettbewerb nicht noch mehr zu befeuern.
„In Anbetracht der Tatsache, dass das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz kürzlich den Bericht zur Niedersächsischen Nutztierhaltung veröffentlicht hat, der einen massiven Abbau des gesamten niedersächsischen Tierbestandes aufzeigt, muss die Bundesregierung endlich ihren Worten Taten folgen lassen“. Der Umbau der Nutztierhaltung kann nur mit einem soliden Finanzierungsmodell sowie mit einer langfristigen rechtlichen Planungssicherheit gelingen, so der Vorsitzende.